Der Traum im Film oder der Film als Traum? | #Walthersfilmanalyse

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Film / Kunst

Etliche Filme sind aufgrund ihrer Traummotive zu Klassikern avanciert. Populäre Beispiele hierfür sind Alfred Hitchcocks Spellbound (USA 1945), für welchen der surrealistische Künstler Salvador Dalí die Kulissen der Traumszene malte, Ingmar Bergmanns Smultronstället (SE 1957) oder Christopher Nolans Inception (USA/GB 2010), um ein aktuelleres Beispiel zu nennen. Fest steht, dass der Traum und seine Darstellungsmöglichkeiten Filmregisseure und Filmregisseurinnen schon immer faszinierte. So wird Hollywood auch heute noch als Traumfabrik bezeichnet. Der Zusammenhang von Film und Traum ist innerhalb der Filmtheorie rege besprochen worden. Hierbei haben sich zwei Betrachtungsweisen zur Beschäftigung mit beiden Themen herausgebildet – zum einen der Film als Traum und zum anderen der Traum im Film.

Film-Traum-Analogie

Kurioserweise wurde in der Geschichte der Filmtheorie mehr ein Fokus auf das Phänomen des Films als Traum, als auf die Traumdarstellung im Film gelegt. Die sogenannte Film-Traum-Analogie wurde in der Filmtheorie umfangreich diskutiert. Zusammengefasst handelt es sich bei dieser Theorie um die Annahme Film- und Traumerfahrung seien vergleichbare Phänomene, die sich in ihren Eigenschaften kaum unterscheiden. So begriff der französische Regisseur Jean Cocteau etwa das Sehen eines Filmes als kollektives Traumerlebnis, das alle Personen im Kino gemeinsam erlebten. Ähnlich wie beim Schlafengehen verhielte es sich im Kino, wenn das Licht ausgehe und die Bilder über die Leinwand flimmerten.

Im Gegensatz zu anderen Medien, wie etwa der bildenden Kunst oder der Literatur, ist es im Film sicherlich am ehesten möglich ein Traumerlebnis bei den Betrachtenden zu erzeugen. Grund hierfür ist seine Eigenschaft als audiovisuelles Medium, welche dem des Traumzustandes sehr nahekommt. Kritiker der Film-Traum-Analogie weisen jedoch unter anderem auf die unterschiedlichen Bewusstseinszustände während beider Aktivitäten hin. Während die träumende Person sich nicht über ihren Zustand des Träumens bewusst ist, sind sich die Zuschauenden eines Films wohl bewusst, dass sie sich gerade im Kino befinden und einen Film sehen. Die Film-Traum-Analogie ist heute kaum noch zu halten, auch wenn sie immer noch einen interessanten und beachtenswerten Aspekt in der Filmtheorie darstellt.

Der Traum im Film

Doch wie steht es um den Traum im Film? Welche Möglichkeiten bietet die Traumdarstellung? Durch das Mittel der Traumdarstellung im Film wird das Innenleben einer Person auf intimste Weise sichtbar gemacht. Wir begegnen dieser Person nun nicht mehr auf der vermeintlich realen, bewussten Ebene, sondern erlangen einen Einblick in ihre Innenwelt. Intimste Wünsche und Fantasien, die sich der träumenden Person im Schlaf offenbaren, werden innerhalb eines kollektiven Rahmens mit den Zuschauenden geteilt.

Das Mittel der Traumdarstellung impliziert zwangsläufig eine Offenlegung. So lassen sich mehrdimensionale Portraits von Personen im Film erschaffen. Hierbei wird nicht lediglich ihr Außenbild vermittelt, das sich etwa durch Beschreibungen der Person oder durch Dialoge und Handlungen erschließen lässt, sondern auch eine Innenweltdarstellung ermöglicht. Im Gegensatz zu anderen Methoden zur Sichtbarmachung der Innenwelt einer Person, wie etwa die des inneren Monologs, handelt es sich hierbei um ein Phänomen, das von der betroffenen Person nicht bewusst gesteuert werden kann.

Andere Wege der Filmrezeption

Auch wenn die Film-Traum-Analogie dem heutigen Wissensstand widerspricht, bietet sie dennoch eine interessante Perspektive auf die Filmrezeption. Sicherlich kann mit der Kenntnis dieser Theorie der nächste Kinobesuch auf andere Art und Weise erlebt werden. Dann steht nämlich nicht nur der Inhalt des Filmes im Vordergrund, sondern auch das Ich-Erlebnis. Umgekehrt, beim Betrachten der Traumdarstellungen im Film und somit dem Eindringen in die Innenwelt der dargestellten Personen, werden neue Gedanken vermittelt und im besten Fall reflektiert. Für die Zuschauenden lassen sich somit neue Wege erkunden, denn wo sonst als im Film, werden die inneren Vorgänge fremder Personen visuell und auditiv erfahrbar gemacht?

 

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