Der lippenstiftrote Mund des Jungens ist weit geöffnet. Seine Lippen scheinen fein nachgezeichnet von dem intensiven Rot, das aus der Nase über den Mund die untere Lippe hinabrinnt. Ein leichtes Lächeln umspielt die Mundwinkel; in seinem Ausdruck ein stummer Schrei. Das Blut ist in hellen Tönen über seinen gesamten Oberkörper, Arme und Hände verschmiert. Die Arme des Jungen sind an seinen hageren Körper gepresst, auf dem sich in leichten Erhebungen die Gänsehaut abzeichnet. Es dämmert bereits.
Selbstversuch Écriture automatique #2 | #Walthersversuch
Der Traum im Film oder der Film als Traum? | #Walthersfilmanalyse
Etliche Filme sind aufgrund ihrer Traummotive zu Klassikern avanciert. Populäre Beispiele hierfür sind Alfred Hitchcocks Spellbound (USA 1945), für welchen der surrealistische Künstler Salvador Dalí die Kulissen der Traumszene malte, Ingmar Bergmanns Smultronstället (SE 1957) oder Christopher Nolans Inception (USA/GB 2010), um ein aktuelleres Beispiel zu nennen. Fest steht, dass der Traum und seine Darstellungsmöglichkeiten Filmregisseure und Filmregisseurinnen schon immer faszinierte. So wird Hollywood auch heute noch als Traumfabrik bezeichnet. Der Zusammenhang von Film und Traum ist innerhalb der Filmtheorie rege besprochen worden. Hierbei haben sich zwei Betrachtungsweisen zur Beschäftigung mit beiden Themen herausgebildet – zum einen der Film als Traum und zum anderen der Traum im Film.
Topografische Erkundungen | #Walthersdocumenta
Weißer Rauch steigt über dem Fridericianum in Kassel auf, zeitgleich wird heute in Athen die 14. documenta eröffnet. Es ist ein Novum innerhalb der documenta-Geschichte, mit welchem der künstlerische Leiter Adam Szymczyk die Kunstwelt überraschte. Zum ersten Mal findet die Kunstschau nicht ausschließlich in Kassel statt, sondern bekommt mit Athen einen gleichwertigen Ausstellungsort an die Seite gestellt. 160 Künstler werden in Kassel und Athen in 163 Tagen ihre Werke präsentieren.
Stehende Arkaden zerstören den Weltgeist
Stehende Arkaden zerstören den Weltgeist
Es sind die einzigen neuen Matrosen
Am Wellengang können sie verzagen
Und überm Wasser trinken sie Fisch
Wenn sich die Nachtigall am Bug die Augen auskratzt
Kommt es zur Stunde Null
Oh, ein Vogel in goldenem Gewand
Er fürchtet kein Urteil
Der Vogel ist frei
Während ich auf den Wolken reite
Den Menschen mich teile
Teilt sich die Seele
Nerven sind Funken
Grüne Geschöpfe
Dort stehen sie
in Reih und Glied
grüne Geschöpfe, die Beine ganz braun
wie Schlamm
stramm stehen sie da, bewegungslos
und manchmal zischen und rauschen sie
wenn der Wind geht.
DIE DADA – ein erstes umfassendes Übersichtswerk zum weiblichen Dadaismus | #Walthersrezension
Die Kulturwissenschaftlerin Ina Boesch, Herausgeberin von DIE DADA, hätte keinen besseren Zeitpunkt zur Veröffentlichung ihrer Publikation wählen können. Zum einen feiert Dada in diesem Jahr sein 100-jähriges Jubiläum und zum anderen herrscht in der Kunstwelt seit einiger Zeit eine anhaltende Debatte zu den vergessenen Künstlerinnen der Moderne. So wurden im „Dada-Jahr“ bereits mehrere Ausstellungen speziell zu den Dadaistinnen initiiert, darunter die von Ina Boesch kuratierte Ausstellung Die Dada La Dada She Dada[1]. Auch zu den in Vergessenheit geratenen Künstlerinnen der Avantgardebewegung Der Sturm gab es 2015 eine umfangreiche und mit internationalen Leihgaben ausgestattete Retrospektive in der Schirn Kunsthalle Frankfurt zu sehen.[2] Ebenso wie die Publikation Ina Boeschs, verfolgte diese das Ziel, die in Vergessenheit geratenen Künstlerinnen der Avantgardebewegung wieder, oder erstmals, in das Licht der Öffentlichkeit zu rücken und ihr Werk einem breiten Publikum zugänglich zu machen.
Selbstversuch Écriture automatique | #Walthersversuch
Was ist Écriture automatique? | #Walthersfrage
Bei den ersten Kunstwerken des Surrealismus handelte es sich um geschriebene Texte. Diese Texte waren Ergebnisse der Écriture automatique (dt. automatische Schreibweise), einer Technik, die den Automatismus in den künstlerischen Schaffensprozess seiner Begründer integrieren sollte. Diese waren die drei Freunde André Breton, Phillippe Soupault und Louis Aragon. Sie fanden sich zumeist in Bretons Atelier zu Séancen zusammen, während dieser sie diese neuen Techniken ausgiebig testeten. Unter Séancen sind in diesem Zusammenhang gemeinschaftliche Sitzungen zu verstehen, bei denen die Mitglieder der surrealistischen Gruppe durch unterschiedlichste Methoden versuchten das Unbewusste zu Tage zu fördern. Als eine dieser Methoden etablierte sich schnell die Écriture automatique. Hierbei sollen sich die Schreibenden ein Blatt Papier und einen Stift zur Hand nehmen und ohne darüber nachzudenken mit dem Schreiben beginnen. Breton liefert in seinem Manifeste du Surréalisme (1924) folgende Anleitung:
Der Fluss
Umreißende Kraft der Natur. Tote Steine wie abgeschlagene Köpfe. Blässe. Sie rollen. Stechendes Hell, Schmerz in dem Auge, wo ist das Licht? Modrig und glitschig, Gäste, was suchen sie hier? Lärmende Stille, unbeirrbar, Ruhe dem Lärm! Wo geht es weiter? Blindes Entsetzen, eisige Strömung, verwischt in dem Weiß. Blendendes Weiß zum Erblinden geeignet, reichlich vorhanden, greifen Sie zu. Knacken und Krachen, zerbrochene Knochen und ein leiser Wind geht dazu. Es gibt hier kein Dunkel, du kannst nicht entkommen, versuche es nicht! Trocken und rau, Kampf für die Lunge, rasselnde Luft behindert das Atmen. Grellgelbe Stiche, Schreie der Haut, schrumpelnde Masse, stinkend und dampfend hinauf in die Lüfte. Lüfte die weichen, weichen den Kräften, dein Urteil, es ist gefällt.